
Zeitraum: 10.4. - 17.4.
Ich hatte zum Ende meiner Reise das Paradies auf Erden gefunden. Inmitten des Karibischen Meeres bilden 365 Inseln die Schönheit von San Blas.
Guna Yala, das Land der Guna, wird jene Inselgruppe von seinen einheimischen Bewohnern auch genannt. Ein Stamm mit 300.000 Menschen, von denen 50.000 auf den Inseln wohnen. Der Großteil der Inseln ist jedoch unbewohnt und so bleiben im Land der Guna viele, teils winzige Inseln, in ihrer Schönheit einsam.
Orte, die zum Nachdenken anregen. Eine Zeit, die zum Nachdenken anregte. Und
wenngleich sich die Zeit im Paradies auf Erden surreal anfühlte, brachte sie Gewissheit für meine eigene Realität.
Santa marta
Das Boot der Alessandra ging kaputt. Es sollte das Highlight meiner Reise werden. Eine Überfahrt auf einem Segelboot mit Piratenschiffvibe von Kolumbien nach Panama. Für den Antrieb des Bootes musste die Organisation Ersatzteile bestellen und unsere geplante Tour absagen. Um die Überfahrt nach Panama trotzdem machen zu können, wurden uns noch Plätze auf einer Speedboot-Tour gesichert. Dennoch war für mich persönlich der Traum von einem Segelabenteuer geplatzt.
Da die Speedboottour drei Tage später begann, mussten Fanny und ich umplanen und den Aufenthalt in Kolumbien verlängern. Wir entschieden uns, einen kurzen Roadtrip entlang der Karibikküste in das rund 250 km von Cartagena entfernte Santa Marta zu machen und mieteten ein Auto.
Nach dem Aufenthalt in der Touristen- und Partystadt Cartagena bekam man auf dem Weg nach Santa Marta einen kleinen Kulturschock. Besonders die Fahrt durch die Hafenstadt Baranquilla schuf ein Bewusstsein, wie die Kolumbianer fernab touristischer Hochburgen tatsächlich leben. Heruntergekommene Häuser, Müll und Chaos auf allen Straßen und hunderte von streunenden Hunden dominieren das Leben Barranquillas.
Nicht zuletzt deswegen wurde bereits die Anreise nach Santa Marta zu einem Abenteuer. Wir folgten einer Hostelempfehlung von zwei Dänen, die wir zuvor in Cartagena getroffen hatten. Das Hostel “The Fort” befindet sich im südöstlichen Teil der Region Santa Marta und somit im Gebiet der Sierra Nevada de Santa Marta mit den höchsten Bergen Kolumbiens. Bei einer 10%igen Steigung auf einer Schotterpiste auf dem Weg zum Hostel stieß unser Hyundai an seine Grenzen und ich hatte alle Mühe, ihn entlang des metertiefen Abgrunds rückwärts zu manövrieren und am Straßenrand zu parken. Von hier aus wurden wir vom Besitzer persönlich abgeholt und zum Hostel geführt.
Ein Pärchen aus England startete vier Jahre zuvor mit dem Bau des Hostels, das erst im November letzten Jahres eröffnet wurde. Inmitten des Waldes in den Bergen hatte “The Fort” mit seinen Mehrbettzimmern in einem Baumhaus mit nur drei Wänden und offener Seite mit Blick in die Ferne einen ganz besonderen Charme und bekommt von mir den Titel des schönsten Hostels meiner gesamten Reise.
Wir kamen für den Nationalpark “Tayrona” nach Santa Marta, den wir am darauffolgenden Tag besuchten.
Bei einer „Osterspecial- Quizrunde“ am Vorabend sowie am Frühstückstisch am Morgen bekamen wir von anderen Gästen die Empfehlung, einen gesonderten Eingang für den Nationalpark zu nehmen, um den Touristenandrang aus dem Weg zu gehen. Jenen Eingang zu finden, wurde gleich mal zur größten Herausforderung des Tages. Nach mehreren Anläufen fanden wir ihn und von hier aus folgte eine 20- minütige Fahrt auf kleinen Motorrädern als Mototaxis über eine gebirgige Schotterpiste. 20 Minuten wie eine Achterbahnfahrt, die einem wie 60 vorkamen, 20 Minuten, in denen mein Körper angespannt war, als wäre er aus Stahl. Nachdem Fanny und ich die Fahrt überlebt hatten, begann der Weg durch den Tayrona Nationalpark. 2 1/2 Stunden führte uns die Wanderung durch ein beruhigendes Waldgebiet, ehe wir die Karibikküste erreichten. Das Badeverbot an der „Playa Brava“ aufgrund der Strömungen war ein Wertmutstropfen, die gleichzeitige Vorstellung, die 2 1/2h noch wieder zurücklaufen zu müssen ließ die Stimmung bei uns schließlich kippen. Und die Tatsache, dass wir vor Anbruch der Dunkelheit zurück sein mussten, um die letzten Mototaxis zu erwischen, sorgte für einen stressigen Rückweg.
Am kommenden Tag ging es für uns dann zurück nach Cartagena. Von hier aus würde einen Tag später unsere gebuchte Speedboot - Tour starten und wir hatten noch einiges an Vorbereitungen zu treffen.
Speedboot - Tour
Tag 1
Cartagena - Necogli
Alles begann mit einer siebenstündigen Busfahrt. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmer*innen unserer gebuchten Tour ging es entlang der Küste in das knapp 400km östlich von Cartagena entfernte Necogli, wo wir eine Nacht in einem Hostel verbrachten. Fanny und ich teilten uns das Zimmer mit einem Niederländer, dessen Namen ich nicht erinnere, dessen Namen ich mir aber auch nicht merken musste, da er mir im Weiterlauf der Tour mit seiner Art ziemlich auf die Nerven ging. Dafür hatte ich in dem anderen Zimmerpartner auf Anhieb einen Seelenverwandten für die Tour gefunden. Vor allem für das, was mich in diesen Tagen belastete. Jonas und ich teilten das Leid der abgesagten Segeltour, denn auch er hatte ursprünglich die Alessandra gebucht und das Segelabenteuer war der Hauptgrund für seinen dreiwöchigen Urlaub in Kolumbien und Panama gewesen. Aber es gab auch erfreulichere Themen, über die Jonas und ich sprechen konnten. Wie es der Zufall so wollte, kam er aus Hamburg und war wie ich einst Fußballtorwart und so hatten wir uns in den Folgetagen immer wieder etwas zu erzählen.
In Necogli mussten Fanny und ich in einem kleinen Geschäft noch unsere kolumbianischen Pesos in Dollar umtauschen. Denn auf der Überfahrt nach Panama würden wir auf den San Blas Inseln leben, die zu Panamas Gebiet gehören und somit auch mit Panamas Landeswährung, dem US-Dollar arbeiten.
Tag 2
Necogli - Capurgana - Sapzurro
Am frühen Morgen ging es dann das erste Mal auf ein Speedboot. 1 1/2h dauerte die Überfahrt nach Capurgana, einem kleinen Küstenort vor der Grenze zu Panama. Capurgana liegt am Rande des Darien Gap, einem Regenwaldgebiet, dass Nord- und Südamerika sowie Kolumbien und Panama voneinander trennt. Auch als „grüne Hölle bezeichnet“ gilt der Darien Gap als einer der gefährlichsten Orte der Welt. So ist er nicht zuletzt durch die Tierwelt äußerst gefährlich. Vor allem ist das Gebiet eine Schmuggelroute für Menschen und Drogen. Dazu treiben verschiedene Terrorgruppen im Darien Gap ihr Unwesen. Für die Zivilisation bleibt der Ort ein Mysterium. Es gibt auch keine Straßen. Selbst die Panamericana, die längste Straße der Welt, die sich über 30.000 km von der äußersten Spitze Alaskas bis hinunter nach Feuerland zieht, führt nicht durch dieses Gebiet. Als wichtigste Verbindungsstraße in Nord- und Südamerika ist sie am Darien Gap unterbrochen und endet an beiden Richtungen. Und so gibt es auch keine Möglichkeit, die Grenze von Kolumbien und Panama über Land zu überqueren.
In Capurgana kam es dann zum ersten Meeting mit der kompletten Reisegruppe und unserem Guide Sam.
Ein Engländer, der sich einst im Rahmen seines Auslandsaufenthaltes in Kolumbien in Capurgana aufhielt, als Corona ausbrach und er folglich für ein Jahr in Capurgana festsaß. Gegen Sam konnte man wenig sagen, er hatte in den folgenden Tagen alles im Griff und wusste, was er tat. Nur wirkte er in seinem Aussehen und Auftreten eher wie eine Cartoon-Figur mit miserablem Humor, die sich besonders übermotiviert zeigen wollte und statt einer authentischen eher eine unglaubwürdige Art ausstrahlte.
Die Reisegruppe setzte sich zusammen aus einem bunten Mix an Europäern, wie immer mit einem überdurchschnittlichen Anteil an Deutschen, wirkte aber im Großen und Ganzen auf Anhieb recht sympathisch und aufgeschlossen.
Wir nutzen die Zeit in Capurgana für die Ausreise aus Kolumbien und ein paar letzte Besorgungen. Dann ging es mit dem Boot weiter nach Sapzurro. Direkt an der Grenze zu Panama gelegen, ist Sapzurro der nördlichste Ort Kolumbiens und wie Capurgana ebenfalls nur mit dem Boot zu erreichen. Hier blieben wir in einem Hotel und es kam im Rahmen eines ersten gemeinsam Abendessens und einem gemeinsamen Abendspazierung zum ersten Kennenlernen mit anderen Mitgliedern der Reisegruppe.
Tag 3
Sapzurro - San Blas
Früh morgens verteilten wir unser Gepäck auf zwei Speedboote, die auch unser Trannsportmittel für die Tour sein würden. Wir passierten die Grenze zu Panama und bekamen an dem kleinen Küstenort
Comarca unseren Einreisestempel.
Das Ziel unserer Speedboot-Tour war der Küstenort Carti, von wo aus wir mit Jeeps nach Panama City befördert würden. Der Weg nach Carti führte uns über die San Blas Inseln, auf denen wir
drei Tage und drei Nächte verbringen sollten.
Wir fuhren zwei Stunden, ehe wir die erste Insel erreichten. Ehe wir das Paradies erreichten. So sah es aus und so fühlte es sich auch an. Inselbewohner der Gunas, die mit unserer Organisation kooperieren, empfingen uns mit bereitgestellten Kokosnüssen unter Palmen, die wir mit Ausblick auf das himmelblaue und am Strand kristallklare Wasser genossen.
Im Anschluss wechselten wir die Insel und durften uns bei der rund 200m langen Überfahrt in von den Gunas selbst gebauten Kanus versuchen. Wir waren nun in einem der großen einheimischen Dörfer gelandet und somit inmitten der Zivilisation der Guna. Es gab eine kleine Führung eines Einheimischen, ehe wir den Nachmittag vor allem mit den vielen Kindern der Gunas verbrachten, für die die Touristenbesuche ein Highlight darstellen. Erinnerungen wurden wach an meinen Job an der Grundschule und doch waren zu den Kindern der Gunas gravierende Unterschiede nicht zu übersehen. Denn, was die Kinder hier ausstrahlten, war reine und echte Lebensfreude. Und ich habe wirklich lange beobachtet und gewartet, aber es gab hier keinen Streit. Ich sah, wie hier alle alles gemeinsam lösten. Ich sah in lachende Augen von Kindern, die begeisterungsfähig und interessiert waren.
Alle Kinder erleben hier die gleiche Kindheit. Ein Aufwachsen ohne Fernseher, ohne Handy, ohne Geld.
In Verantwortung- und Gemeinschaftsgefühl auf einer Insel inmitten der Karibik fernab der Zivilisation Panamas. Diese Kinder haben nichts. Oder haben sie doch alles?
Nach einem Abendessen zubereitet von den Crew nächtigten wir in Holzhütten im Dorf der Guna. Nicht zuletzt dadurch bekamen wir ein Gefühl dafür, wie die Menschen auf den Inseln hier leben.
Es gab hier keinen Wasseranschluss für die ganze Insel und so duschten wir uns mit Wasser aus Eimern.
Tag 4 & 5
San blas
Am nächsten Morgen ging es nach einem gemeinsam Frühstück wieder aufs Speedboot und zur nächsten Insel.
Während die Speedboot-Fahrten für einige aus der Gruppe amüsant schienen, versetzte mich jede einzelne in einen melancholischen Zustand. Ich wusste, ich durfte nicht klagen, das wäre bei einer Tour durch das Paradies auf Erden absurd gewesen. Und dennoch erinnerte mich die Zeit auf dem Speedboot immer wieder an das geplante Segelabenteuer, an meinen Traum, der geplatzt war. Die Zeit auf See auf einem Piratenschiff zu genießen und mit der Alessandra in den Sonnenuntergang zu segeln. Stattdessen hatte die Speedboot-Tour nun einen ganz anderen Vibe. Hier waren Leute versammelt, die sich zum Großteil bewusst gegen einen Segeltrip entschieden hatten. Die mein Problem also schonmal gar nicht verstanden. Ein jedenfalls nicht unwesentlicher Anteil der Gruppe verkörperte eher das Klischee einer Ballermann-Sauftour auf Mallorca. Und damit hatte ich dann schon meine Probleme. Für mich passte alles nicht zusammen. Auf der einen Seite das unantastbare, naturgeschützte Gebiet der Guna, einem indigenen Stamm, der ohne Technik, ohne alles, was unsere moderne Welt ausmacht, lebt und wir ballern mit einem Speedboot in Touristenmanier, wie sie typischer nicht sein könnte durch das Naturparadies der San Blas Inseln.
Gründe, die auch dazu führten, dass ich auf größere Integration in die Gruppe in dieser Zeit und auch auf einen gemeinsamen Partyabend verzichtete.
Fanny und ich freundeten uns indes mit dem Schweizer Severin und der Österreicherin Vivi an, die sich ebenfalls auf Reisen kennengelernt und gemeinsam unterwegs waren. Mit Severin hatte ich noch einen weiteren Leidensgenossen gefunden, der die Alessandra gebucht hatte.
Die Zeit auf den San Blas Inseln aber war wie im Traum. Wenn man am Strand einer der Inseln die Augen schloss, konnte man sich schwer einen schöneren Ort vorstellen, als der, den man sah, wenn man die Augen wieder öffnete.
Und wenn man alleine eine Runde um die Insel drehte, gab die Umgebung mit Blick auf den endlos weiten Horizont einem ein echtes Robinson Crusoe - Feeling. So entstanden unweigerlich auch Momente der Auseinandersetzung mit einem selbst. Das Ende meiner Reise rückte näher und der Blick nach vorne ließ sich nicht vermeiden. In einer Zeit, in der mir vor allem eines bewusst wurde. Wir können vor nichts auf dieser Welt wegrennen, je mehr wir es versuchen, desto schneller holt es uns wieder ein.
Tag 6
San blas - carti - panama city
Wenn man zu lange in der Sonne liegen bleibt, kann auch das Paradies zu einer Gefahr werden. Das durfte ich am Morgen des letzten Tages spüren. Ich hatte mir einen Sonnenstich eingefangen und selten fühlte ich mich so scheiße, wie an diesem Tage. Den letzten Ausflug der Gruppe zu einem durch eine Sandbank hervorgerufenen Pool innerhalb der Karibik verpasste ich. Durch den Weiterlauf des Tages musste ich mich dann durchquälen. Denn es war der Abreisetag, mit dem Speedboot ging es um die Mittagszeit nach Carti. Von hier aus startete die Jeeptour nach Panama-City. Für drei Stunden ging es über brüchige, asphaltierte Straßen und Schotterpisten durch den Dschungel Panamas. Auf dem Weg mussten wir uns noch einer Drogenkontrolle mit Spürhunden unterziehen, da der Weg nach Panama City mit einer beliebten Schmuggelroute gleichgesetzt war.
Gegen 21 Uhr erreichten wir dann Panama-City und nicht zuletzt wegen des Sonnenstichs war ich froh, hier endlich Ruhe zu finden.