23) Gegensätze

Zeitraum: 26.3. - 12.4.

 

Gewalt, Krieg, Drogenhandel. Der Ruf eines Landes könnte kaum schlimmer sein, als jener von Südamerikas nördlichstem Land. Kolumbien, die Heimat Pablo Escobarsgalt einst als eines der gefährlichsten Länder der Welt. Ein Klischee, das mittlerweile längst überholt ist. Doch das Land hat noch immer mit seinem schlechten Ruf zu kämpfen und wer sich von Kolumbien als eines der schönsten und sichersten Reiseziele Südamerikas überzeugen lassen will, muss all den Vorurteilen und Geschichten von früher trotzen. 
Here we go, Colombia! 

 

Bogota

Wie in meinem letzten Artikel ausführlichst beschrieben, erreichte ich Kolumbiens Hauptstadt nach einer 51 stündigen Busfahrt. 

Ich gönnte mir nach den Strapazen der vergangenen Tage und der verrückten Reise ein Hotelzimmer. Endlich mal hatte alles gepasst. Wasser, sogar warmes, und Strom waren vorhanden, ein bequemes Bett und sogar ein hoteleigenes Restaurant verschafften eine Atmosphäre, in der es sich ermöglichte, sich zu erholen und Kraft zu tanken. 

 

Ich hatte keine Idee, was genau ich in Kolumbien machen und wie lange ich bleiben würde. Und alles, was ich bislang über dieses Land wusste, basierte auf Berichten, die ich von anderen Reisenden hörte. Was all jene Reisende vereinte war, dass jeder von ihnen in Kolumbien eine lange Zeit, oder zumindest mal eine längere Zeit als geplant, hier verbrachte. 

Und, dass Kolumbien mit gebirgigen Teilen von den Ausläufern der Nordanden, dem Regenwaldgebiet des Amazonas und mit wunderschönen Stränden angrenzend an Pazifik- und Karibikküste von einer atemberaubenden Natur durchzogen ist, die gegensätzlicher nicht sein könnte. 

Von all jener Natur sah ich in den ersten Tagen in Bogota jedoch nichts. Denn zu der gegensätzlichen Natur Kolumbiens wiederum stellt die Metropole den wohl größten Gegensatz dar. 

7,5 Millionen Menschen leben in der 2600m hochgelegenen Stadt, die das kulturelle, wirtschaftliche und politische Zentrum des Landes bildet. Auf einer Fläche, die der doppelten Größe Hamburgs entspricht, erstrecken sich die dicht nebeneinander gebauten Hochhäuser in eine Höhe, dass sie von der Straße aus betrachtet eins werden mit dem Himmel und ein Stadtbild abgeben, dass mit der umliegenden Landschaft Bogotas im Kontrast steht. 

 

Bogota wurde dann schnell zu einem Ort der Réunion. Oder im Falle Roys zur Royunion. 

Zunächst einmal traf ich hier aber Fanny wieder. Und die Zeit seit unserem Abschied in Montañita hätte nicht gegensätzlicher verlaufen können. Während ich in der letzten Woche die bislang schlimmsten und schwierigsten Tage meiner Reise durchlebte, genoss Fanny ihren Aufenthalt auf den Galapagos-Inseln, einem Naturparadies mitten im Pazifik, ca. 1000 Kilometer entfernt von der Küste Ecuadors. Auch ihre Reiseroute führte nach Kolumbien und nach Bogota. Und während ich durch die Komplikationen und Verzögerungen auf dem Landweg einige Tage verlor, holte sie mich durch einen Flug von der Grenze Kolumbiens bis Bogota zeitlich wieder ein. 

So trafen wir uns bereits nach etwas mehr als einer Woche wieder. Wir hatten uns durch die Erlebnisse der letzten Tage natürlich extrem viel zu erzählen und während eines zweistündigen Gesprächs realisierten wir, wie viel man auf so einer Reise um die Welt bereits in nur wenigen Tagen erleben kann. 

Wir machten einen Ausflug zum Teleférico de Monserrate. Hier kann man mit einer Seilbahn auf den Berg „Monserrate“ fahren, der einen Aussichtsüunkt über Bogota bietet. Wirklich schön wurde es, als es dunkel wurde und die Lichter Bogotas der bei Tageslicht wilden Stadt ein angenehmeres Bild gaben. 

 

Am nächsten Tag nahmen wir an einer Biking-Tour durch Bogota teil, die uns in die vermeintlich schönen Ecken der Stadt führte. Unter anderem machten wir Halt auf einem der Märkte, um verschiedene, lokale Früchte zu probieren, von denen ich die meisten gar nicht kannte geschweige denn jemals zuvor probiert hatte. 

Ich würde die Biking-Tour als Erfolg verbuchen, wäre da nicht ein Tourist gewesen, der bei jeder Möglichkeit und auch sonst dem Guide Fragen stellte. Fragen, von denen er sich die meisten gleich selbst beantwortete und in seinem arrogantem Auftreten bei mir für Fremdscham sorgte. Es ist auffällig, zugleich wenig überraschend, dass er, dass Menschen seiner Sorte, immer aus Deutschland kommen. 

 

Während meines Aufenthaltes in Bogota wechselte ich in das wohl spektakulärste Hostel meiner gesamten Reise. Die Räumlichkeiten des „Spotty Bogota“ ziehen sich über 17 Stockwerke. Mit hunderten Mehrbettzimmern gleicht es einer Massenabfertigung, mit der Rooftop- Terrasse inklusive Pool und dem hausinternen Restaurant wiederum einem gehobenen Hotel. Und der Gaming- Room, ein kleines Kino sowie die eigene Bar geben einem genügend Gründe, das Hostel abends gar nicht verlassen zu müssen. 

Und dann war es soweit. Es war mal wieder Roy-Time. Zugleich das vierte Mal auf meiner Reise durch Südamerika, dass sich unsere Wege kreuzten. Es war keine reine Zufallsbegegnung, wir hatten uns schon in Bogota verabredet. Doch dass wir beide zur gleichen Zeit in Bogota waren, war Zufall. Oder war es Schicksal? Nach unserer letzten Begegnung in Uruguay reisten Roy und ich in entgegengesetzte Richtungen weiter. Während er eine Rundreise durch Brasilien machte, reiste ich die Länder an der Pazifikküste Südamerikas entlang in Richtung Norden. Die Tatsache, dass unsere Routen nun in Bogota zur selben Zeit aufeinandetrafen, gab einem mal wieder einen dieser Momente des Vertrauens, dass im Leben, zumindest mal auf dieser Reise, alles aus einem bestimmten Grund zu passieren scheint. 

Und als wäre das nicht genug, landete Roy bei der Buchung des „Spotty Bogotas“ mit seinen 17 Stockwerken noch im selben Zimmer wie ich. 

 

Es folgte ein legendärer Royunion-Daydrinking Tag im Touristenviertel Bogotas, in dem wir verschiedene Bars und Restaurants testeten. Wir ließen die „alten Zeiten“ aufleben und erinnerten uns zurück an all die Momente, die wir auf unseren Reisen gemeinsam erlebten. Die Komplikationen unseres „Plan D“ und der verrückten Reise nach Patagonien. Den Wahnsinn von Buenos Aires, als Argentinien Weltmeister wurde und die folgenden schönen Tage in Argentiniens Hauptstadt, als wir gemeinsam Weihnachten feierten. 

 

Es war nun das letzte Mal, dass wir uns auf unseren Reisen trafen, Roys Heimkehr nach England stand bevor. So bleiben die Erinnerungen an die besonderen, inspirierenden Erlebnisse mit Roy. Einem 63- jährigen Engländer, allein lebend, der all seinen Besitz verkaufte, um reisen zu können, so lange es geht. Der selbst von sich sagt “I`m the happiest man alive”.

 

Die stadt des ewigen frühlings

Wenn man von Bogota kommt, ist Medellin eine wahre Schönheit. 

Einst bekannt für Drogenkartelle und eine hohe Kriminalitätsrate nahm Medellin in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung und wurde 2012 vom Wallstreet Magazin zur innovativsten Stadt der Welt ernannt. 

Und während sich in Bogota ausschließlich Hochhäuser dicht an dicht reihen, gibt es in Medellin auch viel grün zu sehen. Aufgrund des ganzjährig warmes und sonnigen Klimas auch als “Stadt des ewigen Frühlings” bezeichnet, stellt die Natur innerhalb der Stadt einen Kontrast zu den umliegenden Häusern dar. 


Fanny und ich reisten per Nachtbus gemeinsam hierher. Noch in Bogota entschieden wir uns, auf dem Weg durch Kolumbien gemeinsam weiterzureisen. Die Art des Reisens, die nächsten Reiseziele, das Reisetempo. Es stimmte vieles bei uns überein, nicht zuletzt, dass wir beide längst zu einem exzellentem Team zusammengewachsen waren.

 

Wir waren sogar soweit, den Interessen des anderen zu folgen, wenngleich es den eigenen nicht entsprach. Okay, zumindest Fanny war es. Und so gingen wir zu einem Fußballspiel des in Medellin beheimateten Vereins “Interpendiente Medellin”. In Form einer organisierten Tour fanden sich hier rund 30 Touristen aus verschiedenen Hostels zusammen. Vor dem Spiel gab es viel Alkohol und ein Trikot, ehe es mit der Gruppe ins Stadion ging. Das Spiel der ersten kolumbianischen Liga gegen Deportes Tolima endete 1-1. Schätzungsweise vergleichbar mit einer deutschen Regionalligabegegnung, hatte das Spiel sportlich wenig zu bieten. Das eigentliche Highlight war die Atmosphäre der Heimfans, die das gesamte Spiel über für überragende Stimmung sorgten. 

 

Und so überzeugte mich der Stadionaufenthalt, wenige Tage später ein weiteres Mal hinzugehen. Dieses Mal ohne Fanny, die sich an diesem Tag lieber dem Paragliding widmete, was ich wiederum aufgrund meiner Höhenangst kategorisch ausschloss. Als Tabellendritter der Vorsaison nahm Interpendiente Medellin an der Gruppenphase der Copa Libertadores, der südamerikanischen Champions-League teil. Als absoluter Underdog gegen den brasilianischen Top-Club aus Sao Paolo gelang Interpendiente kurz vor der Halbzeit das völlig überraschende 1-0. Dass Sao Paolo kurz vor Schluss noch zum Ausgleichstreffer kam, verhinderte zwar eine sportliche Sensation, änderte aber nichts an der herausragenden Stimmung der Heimfans und einem tollen Fußballabend in Medellin. 

 

Guatapé 

 

Mit dem Bus ging es dann für einen Tagesausflug in das 75 Kilometer entfernte Guatapé. Eine Kleinstadt mit einem bunten, historischem Zentrum mit in Reliefkunst gestalteten Häusersockeln, die verschiedene Motive der Geschichte und des Alltags der Region sowie geometrische Farben darstellen. 

Die eigentliche Attraktion Guatapés sowie die Hauptintention unseres Ausflugs war der Fels von Guatapé. Ein auffälliger Inselberg am Rande eines künstlich angelegten Stausees. Der Aufstieg über 700 Treppenstufen hatte sich rentiert. Denn die Aussicht vom Fels von Guatapé brachte die Schönheit Kolumbiens schlagartig zum Vorschein. 

Der Fels liegt inmitten eines Wasserlandschaft mit vielen, kleinen Inseln, die ein wahres Naturparadies abbildeten. 

Was von unserer Zeit in Medellin nicht unerwähnt bleiben kann, ist unser Aufenthalt im Hostel Joe & Joe. 

Nach den sich auf unseren Reisen häufenden negativen Erfahrungen mit Israelis, bekam man nun bereits schlechte Laune, wenn man nur mehrere Reisekoffer auf einmal sah. Denn wo viele Reisekoffer sind, sind auch viele Israelis. Als einziges Volk unter den Reisenden bereisen sie fast ausschließlich mit Reisekoffern Südamerika. Als einziges Volk unter den Reisenden sind ihnen Werte wie Anstand, Bescheidenheit und Respekt Fremdwörter. 
Nach wie vor möchte ich ungern die Menschen aus Israel pauschalisieren, denn ich habe gerade in Patagonien tolle Israelis kennengelernt und mit ihnen gemeinsame Abenteuer erlebt. Leider rückten besonders Reisegruppen von Israelis in der Folgezeit meiner Reise ihr Volk in ein schlechtes Licht und die negativen Verhaltensmuster schienen sich mittlerweile auf gefühlt alle Israelis zu übertragen zu lassen. 

Im Joe & Joe fühlte es sich dann so an, als wären wir in einer Unterkunft in Tel-Aviv gelandet. Denn wir waren hier die einzigen Menschen, die nicht aus Israel kamen. Die vorprogrammierten, negativen Erfahrungen dieses Mal waren wie folgt: Nachts um halb 2, ich schlief tief und fest, ging das Licht in unserem Mehrbettzimmer an und fünf Israelis stürmten den Raum. Sie redeten und lachten lautstark, als würde ihnen die Welt gehören und reagierten weniger auf Fannys Bitte, leise zu sein, als auf ihren energischen Tonfall. Als wir am nächsten Morgen, dem Tag unserer Abreise, unsere Sachen packten, wies uns eines der noch in der vergangenen Nacht beteiligten Mädchen, mit ähnlich energischem Ton darauf hin, dass im Zimmer noch welche schlafen würden. Es war 11:30 Uhr. 

Und so war es ein Paradebeispiel dafür, wie Israelis auf Reisen ihre eigenen Regeln aufstellen, an die sich jeder zu halten hat oder sich entsprechend anpassen muss. 

Cartagena

Es knallte. Es war 2:30 Uhr, irgendwo im Nirgendwo auf einer Schotterpiste in den Bergen Kolumbiens. “A flat tire?”, fragte mich der Finne Alex, der neben mir saß. Nach einer kurzen Kontrolle nahm der Fahrer die Fahrt wieder auf. In den frühen Morgenstunden erreichten wir eine Hauptstraße, an der ein Truckfahrer unseren Reifen wechselte. Rund drei Stunden war unser Bus mit einem platten Reifen gefahren.

 

Wir waren auf dem Weg nach Cartagena, der nördlichsten Stadt Südamerikas. Aufgrund seines hohen Tourismusaufkommens mit einem großen Anteil an Deutschen, der Lage am Meer und des ausgeprägten Nachtlebens auch als “Mallorca Südamerikas” bezeichnet, hat Cartagena den Ruf eines Party- Urlaubsortes. Und dem werden vor allem die Touristenviertel Bocagrande und San Diego gerecht. Bei Anbruch der Dunkelheit beschallt die Musik der Partybusse auch die ruhigen Ecken Cartagenas, die von der Nachtclubszene verschont geblieben sind. Jene Nachtclubszene erlebten wir gleich mal bei einer Pub-Crawl, organisiert von unserem und anderen Hostels.

In dieser Nacht wurde ein Klischee Kolumbiens schnell erfüllt. Für 12000 kolumbianische Pesos, umgerechnet für 2,50€ wurde mir auf Toilette ein Gramm Kokain angeboten. Mein Glück, dass ich von Drogen die Finger lasse, denn auf dem Weg zurück zum Hostel gerieten wir mit unserem Uber in eine Drogenkontrolle. In unserem angetrunkenen Zustand mussten wir dabei auch aufpassen, einer verbreiteten Masche der mitunter korrupten Polizei nicht zum Opfer zu fallen. Denn gerade Touristen wird hier gerne mal etwas untergejubelt während ein resultierendes Strafgeld dann in die Taschen der Polizei fließt.

Bei Tageslicht jedoch präsentiert sich Cartagena dann als eine der schönsten Kolonialstädte Südamerikas. Das komplett ummauerte, alte Stadtzentrum mit Festungsring und den Stadtteilen „Centro“ mit einer Kathedrale und zahllosen Palästen im andalusischen Stil, San Diego, dem Viertel der Händler und der zahlenmäßig kleinen Bourgeoisie sowie Getsemaní, dem Viertel der kleinen Leute und Handwerker, ist seit 1984 UNESCO-Weltkulturerbe und gibt der Stadt einen besonderen Charm. 

 

Während unserer Tage in Cartagena, die die letzten in Kolumbien sein sollten, erreichte uns dann eine Hiobsbotschaft für die weitere Planung unserer Reise. 

Alles weitere dazu folgt im nächsten Artikel. Jedenfalls, und so viel sei gesagt, war die Reise durch Kolumbien noch nicht vorbei. 

 

Was die eingangs beschriebenen Vorurteile zu Kolumbien anbelangt, mit denen vermutlich jeder Reisende, der hierher kommt, in irgendeiner Form konfrontiert wird, können wir sagen, dass sich wenig von ihnen bewahrheitet. 

Natürlich kann einem hier auch etwas passieren, man sollte in keinem Land Südamerikas naiv sein, was die Sicherheit angeht. Dennoch ist Kolumbien in den Hauptspots des Landes mittlerweile längst auf den europäischen Tourismus ausgelegt und es ist auch zu spüren, dass sich in diesem Land in den vergangenen Jahren in puncto Sicherheit viel. 

So konnte vor allem die Kriminalitätsrate deutlich gesenkt werden. Und bei allen Gegensätzen innerhalb dieses Landes, stecht auch die Vorurteile über diesen Land in einem Widerspruch zur Realität. 

 

Wir hatten während dieses Kapitels meiner Reise Kolumbien als eines der geeignetsten Backpacker-Länder kennengelernt. Ein Land, das facettenreicher nicht sein könnte, in dem jeder Reisende seinen Ort finden wird, an dem er sich wohl fühlt. In Kolumbien kann man monatelang verbringen, ohne dass einem langweilig werden würde. 

Denn hier, zwischen Karibik und Pazifik, zwischen Metropolstädten und Bergen, zwischen dem Wahnsinn auf den Straßen und der Stille der Natur gibt es immer und überall den schnellen Weg zur Abwechslung zwischen Ruhe und Sturm. Die Zeit in Kolumbien bleibt in schöner Erinnerung. Eine Zeit im Land der Gegensätze. 

 

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