15) Ein Haus mit Garten

- Unser Roadtrip durch Uruguay

Zeitraum: 3.1. - 19.1

 

Ich habe auf meiner Reise durch Südamerika bislang die beeindruckendsten Dinge gesehen. Wenn ich aber gefragt werde, was das Beste an meiner Reise ist, dann beinhaltet meine Antwort längst keine Orte mehr. Es sind die Zufälle, die Begegnungen mit Menschen aus aller Welt ermöglichen und für all die Geschichten und Erinnerungen sorgen. 

So liegt auch diesem Kapitel meiner Reise eine Zufallsbegegnung zugrunde, aus der ein besonderes Abenteuer entstehen sollte. 

Als ich Luisa beim Tango- Tanzen kennenlernte, ahnten wir beide natürlich nicht, dass wir zwei Wochen später zusammen in einem Auto sitzen und Uruguay erkunden würden. Es war Luisas Idee gewesen, der ich mich kurzerhand anschloss. Wenn ich über Dinge nachdenke, die ich aus meinem Leben in Deutschland vermisse, dann gehört das Autofahren definitiv dazu und für einen Roadtrip bin ich generell sowieso immer zu haben. 

Und so saßen wir am 3. Januar auf der Fähre von Buenos Aires nach Uruguay.

Von Colonia de Sacramento aus fuhren wir mit einem Bus nach Montevideo, wo wir am kommenden Tag unser Auto abholten. 

Statt dem angegebenen freshen Seat Ibiza in rot, in kleingedruckt lasen wir im Vertrag später „oder ähnliche Fahrzeugklasse“, bekamen wir für unseren Raodtrip einen weißen Golf.

Die wichtigste Ausstattung war mit vernünftigen Boxen und Bluetooth gegeben und so konnte die Reise losgehen.

Wir hatten keine feste Route, auch konnten wir nicht von uns behaupten, dass wir überhaupt einen genaueren Plan von Uruguay hatten. 

Unsere Vorbereitung bestand aus zwei Roadtripvideos auf YouTube und dem Artikel eines öffentlichen Reiseblogs im Internet, der uns ein paar Informationen gab. Wir ließen uns durch Uruguay treiben und entdeckten das Land auf eigene Faust. 

 

Unser erstes Ziel war das Landesinnere Uruguays. Hier gibt es einen großen See, der uns beim Betrachten der Landkarte als erstes ins Auge fiel. 

Der Lago Rincon del Bonete ist ein 1140 Quadratkilometer großer Stausee, der auf halber Strecke des Flusslaufes des Rio Negro liegt. 

In unserer Vorstellung war es ein idyllischer Ort, ohne den Andrang an Menschen wäre er es auch zweifelsfrei gewesen. Es war Ferienzeit in Uruguay und so zog es viele Menschen hierher. Nach längerer Suche fanden wir letztlich einen menschenfreien Ort, der gleichzeitig unser Schlafplatz wurde. 

So sahen wir in idyllischer Atmosphäre die Sonne überm Rincon del Bonete unter- und in aller früh wieder aufgehen.

 

Am nächsten Morgen ging es nun zurück nach Colonia de Sacramento. Der Weg dorthin wurde zu einem Abenteuer, das für sich steht. Wenn man in Uruguay versucht, eine Mautstraße zu umfahren, dann muss man sich nicht nur darauf gefasst machen, dass die Fahrt länger dauert, sondern dass sie über schlechte oder teilweise auch gar keine Straßen führt. 

So führte uns der Umweg über Schotterpisten, Felder und Wiesen sowie über eine kleine Fähre, die an der Stelle die einzige Möglichkeit bot, einen Fluss zu überqueren, dessen Überquerung auf unserer Route wiederum alternativlos war.

Am Nachmittag erreichten wir unser Hostel. Es wurde ein merkwürdiger Aufenthalt. Unser Gastgeber hielt eine 30- minütige Willkommensrede. Noch erschlagen von der Fahrt und ohne an diesem Tag bislang etwas gegessen zu haben, nahmen wir mit einem Ohr war, wie er zehn Mal betonte, dass dies kein gewöhnliches Hostel, sondern ein Haus sei, in dem wir uns auch wie zu Hause fühlen sollen. Er schloss seine Rede mit dem Angebot ab, im „Haus“ für umgerechnet 20€ pro Person jeweils Mittag- und Abendessen zu buchen. 

Auch wenn 20€ für Gnocchi nun vielleicht wirklich ein paar hunderte Regale zu hochgegriffen ist, mussten wir uns in Uruguay schnell daran gewöhnen, dass wir im teuersten Land Südamerikas gelandet waren und gerade die Lebensmittelkosten selbst die in Deutschland deutlich übertreffen. 

So mussten wir gerade bei der Verpflichtung aufpassen und sie auf das nötigste eingrenzen. Brot mit Senf wurde zu einem unserer Hauptgerichte für unterwegs. 

Am kommenden Tag verbrachten wir den Morgen in der Stadt. Colonia de Sacramento ist am Rio de la Plata gelegen, dem großen Mündungstrichter in den Atlantischen Ozean. Das Wasser des Rio de la Plata ist durch den hohen Eintrag von lehmigem Schlamm trüb, um nicht zu sagen wirklich hässlich. Dafür war die Stadt aber sehr schön. 

 

Geburtstag in Montevideo 

Unser nächster Halt hieß dann wieder Montevideo. Es war Party angesagt. 

Wir kamen in die Hauptstadt Uruguays zurück, um hier in meinen Geburtstag reinzufeiern. Zu meinem Geburtstag kam Roy nach Montevideo, er hielt sich ebenfalls noch in Uruguay auf.

Wirklich verrückt aber war Dominik, den ich nun schon zum vierten Mal auf meiner Reise traf. Er kam für meinen Geburtstag  aus Buenos Aires mit der Fähre am Abend, um am nächsten Morgen wieder nach Buenos Aires zurückzufahren. So hatte ich als Alleinreisender wirklich großes Glück und zugleich war es das schönste Geschenk, meinen Geburtstag in einer Gesellschaft mit Freunden feiern zu dürfen. 

Am Abend vor meinem Geburtstag schauten Roy und ich uns noch eine Trommelparade an. Verschiedene Gruppen sorgten zusammen mit den 1000en von Menschen in den Straßen für eine einzigartige Stimmung in Montevideo. 

Zwei Minuten vor 00:00 Uhr realisierten wir dann, dass ich nicht der einzige im Hostel war, der in seinen Geburtstag reinfeierte. Jack aus Australien hatte ebenfalls Geburtstag und so gab es einen Countdown und Happy Birthday für zwei. 

Während Roy seinen Schönheitsschlaf brauchte und nicht umzustimmen war, machten Luisa, Dominik und ich uns auf die Suche nach einem Club. Nach einem knapp zweistündigen Aufenthalt bei McDonalds fanden wir diesen schließlich mit freundlicher Mithilfe unseres Uber-Fahrers. 

In den frühen Morgenstunden spielte ich dann selbst den Uber- Fahrer und fuhr erst Dominik und später Roy zum Busterminal. 

Wir hatten kaum geschlafen und so wurde mein Geburtstag nach der Feier zu einem reinen Restday für Luisa und mich. Erst am späten Abend schafften wir es nochmal raus, aßen das zweite Mal an diesem Tag bei McDonalds ehe wir später noch ein bisschen im Sonnenuntergang durch Montevideo fuhren. 

 

Für Luisa und mich stand nun die Atlantikküste Uruguays auf dem Plan. Wir fanden mittlerweile heraus, dass die Highlights des Landes die kleinen Städte östlich von Montevideo am Wasser sind, die vor allem schöne Strände bieten. 

So ging es für uns über die Küstenorte Punta del Este, La Paloma, Barra de Valizas und Cabo Polonio bis hoch nach Punta del Diablo. 

 

Es waren Tage voller Sonnenschein. Wir fuhren die Küste entlang, die Musik lief von Reggaeton über 90er/ 2000er bis hin zu deutschem Schlager.  Und während ich allenfalls bei DJ Ötzis Version von „Sweet Caroline“ oder Tim Toupets „Vater Abraham“ aus mir herauskam, sang und tanzte Luisa zu jedem Lied und es war verrückt, wie sie nahezu jeden Songtext draufhatte. Nur mit Luisas badischem Akzent konnte ich mich bis zuletzt nicht anfreunden, der in der Umgangssprache mitunter seltsame grammatikalische Ausführungen beinhaltete, die ich als leidenschaftlicher Grammatiknazi jedoch immer wieder gerne korrigierte. 

Und auch, wenn wir nach wie vor keinen festen Plan verfolgten, so bekamen unsere Tage unbewusst eine Routine. Den Morgen verbrachten wir für Frühstück, Strom, W-LAN und Tagesplanung in einem Café. Mittags gab es Brot mit Senf, ehe wir die Mahlzeit zu kalten Hot Dogs erweiterten. Nachmittags fuhren wir in den nächsten Ort und abends begann dann die Suche nach einem Schlafplatz, den wir in Hostels, auf Campingplätzen oder an Seen fanden. 

 

Ein Haus mit Garten - So nennen die Einwohner Uruguays ihr Land. Das Haus ist Montevideo - das wirtschaftliche, kulturelle und politische Zentrum Uruguays - und der Garten steht für das Hinterland - endlos breit und flach mit mehr Tieren als Menschen. 

 

Und knüpft man an dieses Bild an, so hatte das Haus mit Garten Zugang zu einem See.

Aufgrund der durch die Urlaubszeit überfüllten Strände am Atlantik waren wir aber erst in Punta del Diablo das erste Mal baden. Und dieses eine Mal wiederum war der Grund, warum es zugleich das letzte Mal bleiben sollte. 

Eine Feuerqualle wickelte sich um meinen Fuß, der sich die kommenden zwei Tage anfühlte, als hätte ich ihn auf ein heißes Grillrost gelegt. Immerhin sind von den Nesselzellen an den Tentakeln Narben um meinen Fuß herum geblieben, die an die freundliche Begegnung erinnern. 

Wenn wir auf unsere Autofahrten zurückblicken, so müssen wir in Frage stellen, ob in Uruguay überhaupt Führerscheine absolviert werden und ob es hier so etwas wie einen TÜV gibt. Uns kamen Autos mit zerbeulter, teilweiser komplett zerstörter Karosserie entgegen, einige mit zerbrochener Windschutzscheibe und wieder andere zogen schwarze, stinkende Wolken hinter sich her. Auch für die Begrenzung für Sitzplätze scheint es hier viel Interpretationsraum zu geben, so überholten wir eine Familie, die mit 6 Kindern auf der Rücksitzbank über die Autobahn fuhr. Auf jener Autobahn trennen die Fahrbahnen hier keine Leitplanken, sondern ein großer Graben, in dem sich nicht selten Pferde aufhalten, wenn nicht gerade ein Motorrad den Graben passiert, um die Straßenseite der Autobahn zu wechseln. 

Was sich alles vielleicht witzig anhört, brachte uns aber auch den Ernst der Lage zum Vorschein. Wir passierten auf unseren Wegen zwei schlimme Verkehrsunfälle, die beide jeweils weniger als eine Stunde zurückgelegen haben mussten und über die Nachrichten Uruguays erfuhren wir, dass es hier sehr, sehr viele Unfälle gibt, was den Zustand der Autos erklärt. 

 

Und wir selbst können in einer Situation nur von Glück reden. Auf dem Rückweg Richtung Montevideo wurde Luisa und mir auf der Ruta 9 ein neues Leben geschenkt. Wir fuhren in einen Kreisverkehr hinein, der als solcher nicht erkennbar war und wir beide ihn als Kreuzung wahrnahmen. Wir waren unentschlossen, wo wir lang mussten, ich wies als Beifahrer Luisa schließlich darauf hin, links abzubiegen. Und so bogen wir dort links ab, wo wir hätten eigentlich rechts in einen kleinen Kreis hineinfahren müssen, um dann die Straße zu überqueren. Wir waren auf einem Hügel und der Gegenverkehr war auch durch die tief stehende Sonne nicht einzusehen, als in Sekundenbruchteilen ein Auto mit überhöhter Geschwindigkeit auf uns zu raste und uns eine Nahtoderfahrung bescherte. Luisa konnte rechtzeitig beschleunigen und das entgegenkommende Auto gerade noch ausweichen. Es war gut ausgegangen und doch war es einer dieser Momente, in denen man realisiert, wie schnell es gehen kann. Um die Auto- Thematik Uruguays positiv abzurunden, sei erwähnt, dass ich gefühlt hunderte Male mein Auto, den Peugeot 205 sah, der in Uruguay offenbar gehortet wird und mir bei jeder Begegnung das Herz aufging. 

Am 14. Januar gaben wir das Auto wieder zurück und traten einen Tag später die Rückreise nach Buenos Aires an. 

Es ging nochmal für ein paar Tage zurück ins Hostel Che Juan und es fühlte sich für uns beide an, als würde man aus einem zweiwöchigem Urlaub wieder zurück nach Hause kommen. 

Unser Roadtrip verlief vielleicht etwas zu gut und so fingen Luisa und ich uns noch am selben Abend einen Magen-Darm-Virus in einem Steakhouse ein, der uns unschöne letzte Tage in Buenos Aires bescherte. 

Das war jedoch nur ein negatives Ende einer unglaublich ereignisreichen und aufregenden Zeit zweier alleinreisender Deutscher auf einem Roadtrip am anderen Ende der Welt.