
Zeitraum: 22.12.22 - 2.1.23
Das WM-Finale, der Nationalfeiertag, Weihnachten, Silvester. Ich kam für alle Feierlichkeiten hierher, denn was gibt es schon für einen besseren Ort als die Hauptstadt Argentiniens. Buenos Aires, die Wirtschaftsmetropole, Dreh- und Angelpunkt und Herzstück des Landes mit gewaltigem Ausmaß ist eine Stadt zum Verlieben.
Das erste mal, seit ich zwei Monate zuvor in Santiago gelandet war, buchte ich eine Unterkunft für einen längeren Zeitraum. Das Hostel Che Juan war zugleich das beste meiner bisherigen Reise. Vernünftige Betten mit einem Vorhang boten ein Stück Privatsphäre, die ansonsten in Hostels selten gegeben ist. Zudem verfügte das Che Juan über moderne Badezimmer und eine hausinterne Bar, an der an den Abenden verschiedene Veranstaltungen durchgeführt wurden. Eine dieser Veranstaltungen war eine Tangostunde, zweimal die Woche.
Ich habe auf der Tanzfläche nichts verloren und so lässt sich meine Teilnahme eher durch Langeweile begründen. Nur zuzuschauen wurde nicht geduldet und so schwang ich meine Hüften auf amateurhafte Weise und versuchte die vorgegebene Schritte verzweifelt umzusetzen.
Jene Tangostunde hatte jedoch einen ganz anderen Wert bekommen. Sie war der Beginn eines kleines Zuhauses, das ich in Buenos Aires fand. Ich lernte hier Luisa kennen, eine Alleinreisende aus Süddeutschland. So wie ich hier Roy wieder traf, verbrachte sie die Zeit in Buenos Aires bislang mit Lea aus Frankreich. Beide hatten sich in Bolivien kennengelernt und sich in Buenos Aires wiedergetroffen. Es war der 22. Dezember, Weihnachten stand vor der Tür und wir beschlossen, ein gemeinsames Christmas-Dinner zu organisieren.
Advent, Advent, die Sonne brennt
Der kommende Tag bestand dann aus den Vorbereitungen fürs Essen.
Man täuscht sich doch gewaltig, wenn man denkt, in einer Stadt mit knapp sechs Millionen Einwohnern sollte ein Supermarkt- Einkauf kein Problem sein. Der Großteil der Supermärkte sind Minimärkte, die salopp gesagt immer nur Chips und Softdrinks verkaufen, in denen es jedenfalls definitiv nicht möglich war, für ein Weihnachtsessen fündig zu werden. Die wenige Carrefour- Märkte waren zwar größer, dafür überfüllt von Menschen und auch hier war das Angebot an Lebensmitteln überschaubar. Der Großteil der Vorbereitungen setzte sich daher aus der Suche nach Supermärkten sowie der Suche nach Lebensmittels innerhalb dieser Supermärkte zusammen.
Am Heiligabend schlossen wir die Vorbereitungen ab. Wir hatten für ein vielseitiges Buffet eingekauft und es gab wenig, was es nicht gab. Luisa und ich besorgten noch entsprechende Dekoration, um zumindest für ein bisschen Weihnachtsatmosphäre zu sorgen, von der es in Buenos Aires nichts zu sehen gab. Nirgends. Ein Weihnachten ohne Weihnachtsbäume, ohne Lichterketten und Weihnachtsmärkten auf den Straßen. Zusätzlich durch die sommerlichen Temperaturen kam auch bei keinem von uns zuvor so wirklich eine Weihnachtsstimmung auf, wir mussten für sie also selbst sorgen.
So ungewohnt es war, das erste Weihnachten nicht zu Hause und stattdessen am anderen Ende der Welt zu feiern, so ungewohnt war es auch, den Abend mit Menschen zu verbringen, die man teilweise gerade erst kennengelernt hatte.
Wir können jedoch übereinstimmender Weise sagen, dass das ein richtig geiler Heiligabend war. Es passte sehr zwischen uns allen und die Chemie stimmte auch bei den Essensvorbereitungen. Luisa bereitete Salate zu, Lea unter anderem ein Gericht, dass nur unter dem Namen „the bread“ existierte, Roy kümmerte sich um das Fleisch und ich, ich schnitt ein paar Tomaten und Würstchen, ehe Roy mich aus Mangel an Vertrauen von meinen Aufgaben entband. Fortan sorgte ich dann eben für Musik und gute Stimmung. Und für reichlich Nachschub an Sekt, der uns letztlich alle in einen realitätsfernen Zustand versetzte. Nach Mitternacht ließen wir uns dann noch zu einer Idee treiben, die dem Abend ein zumindest mal unnötiges Ende bescherte. Gemeinsam mit ein paar anderen Leuten aus dem Hostel fuhren wir per 30- minütiger Uber-Fahrt quer durch Buenos Aires zu einem Nachtclub. Da hier nichts Spektakuläres passierte, fasse ich den Aufenthalt kurz und knapp zusammen: Wir warteten vor dem Club länger, als wir letztlich drin waren. Eine Mischung aus Erschöpfung und Alkohol ließ nicht viel mehr zu, als sich an der Bar ein Wasser zu kaufen, was unsere komplette Aufenthaltsdauer im Club andauerte.
So ging es die 30 Minuten wenig später wieder zurück.
Am ersten Weihnachtstag ging der Tag für Luisa, Roy und mich um 14 Uhr los. Für Lea hatte er erst gar nicht begonnen. Sie blieb verkartet in ihrem Apartment und erwachte erst am 2. Weihnachtstag wieder.
An einem Tag, an dem ich normalerweise mit meiner Familie zu einem zweiten Weihnachtsessen zusammensitze, marschierten wir zu dritt durch den Stadtteil San Telmo und aßen ein Eis bei McDonald´s und später eine Pizza mit Blick auf das Hafenbecken Puerto Madero.
Ich will meiner Familie nicht zu nahe treten, wir feiern tolle Weihnachtsfeste und ich habe es natürlich auch vermisst. Aber es war für mich wie auch für Roy und Luisa der lustigste 1. Weihnachtstag unseres Lebens gewesen und wir alle hatten selten so viel gelacht wie auf unserem Spaziergang entlang des Rio Dique und der Women`s Brigde, einem der Sehenwürdigkeiten der Stadt.
Hauptverantwortung dafür trug Roy, der für alles einen Spruch parat hatte und mit seinen immer wieder aufs Neue unerwarteten Tanz-Moves inmitten der Menschenmengen für legendäre Momente und Fotos sorgte.
Den zweiten Tag verbrachten wir dieses Mal ohne Roy, dafür aber mit Lea an selben Orten, wie einen Tag zuvor.
Es war ein Weihnachten mal anders, ein Weihnachten bei Sonnenschein, an einem fremden Ort, mit zu Beginn noch fremden Menschen, die schnell Freunde wurden und für die kommenden Tage eine kleine Familie bildeten.
Zwischen den Jahren
Besonders spektakulär waren diese Tage eigentlich gar nicht, wir genossen viel mehr die Zeit in Buenos Aires und waren irgendwie alle auch ein Stück weit froh, hier mal etwas zur Ruhe kommen zu können. Vor allem aber waren die Tage wirklich schön. So gut wie alle Reisende, die ich bislang getroffen hatte, die auch in Buenos Aires waren, berichteten, dass sie hier mehr oder weniger versackt sind.
Buenos Aires lädt einfach zu einem längerem Aufenthalt ein und man kann sich hier schnell sehr wohlfühlen. Die offiziell nur 202 Quadratkilometer große Stadt bildet den Kern einer der größten Metropolregionen Südamerikas, des Gran Buenos Aires mit etwa 13 Millionen Einwohnern. Sie streckt sich heute rund 68 Kilometer von Nordwest nach Südost und etwa 33 Kilometer von der Küste nach Südwesten aus. Sie wird oft als „Wasserkopf“ Argentiniens bezeichnet, da sich hier fast alle wichtigen Institutionen des Landes befinden und in der Stadt und vor allem in der Umgebung etwa ein Drittel aller Argentinier wohnt.
Auch als das „Paris Südamerikas“ bezeichnet, ist die Kultur der Hauptstadt sehr europäisch geprägt. Neben den unten genannten Einrichtungen gibt es diverse Orchester und Chöre. Häuser von Künstlern und Kunstsammlern wurden oft in Museen umgewandelt.
So lag es auf der Hand, dass wir auch mal ein Museum besuchen würden. Wobei die tatsächliche Umsetzung davon Lea zu verdanken war. Lea kann sich selbst Künstlerin nennen und motivierte uns für eine Museumsausstellung für französische Kunst.
Einen weiteren Tag machten wir einen Ausflug nach La Boca, das bekannteste aller 48 Stadtteile von Buenos Aires. La Boca ist ein Arbeiterviertel in der Nähe des Riachuelo-Flusses. Rund um Caminito, einer engen Gasse mit bunt gestrichenen Wellblechhäusern, die an die Frühzeit der Gegend als Einwandererviertel erinnern, finden sich Steakhäuser und Straßenkünstler sowie eine Vielzahl an kleinen Verkaufsständen. In La Boca ist der wohl bekannteste argentinische Fußballverein Boca Juniors zuhause, bei dessen Stadion La Bombonera wir ebenfalls vorbeischauten. Es war schön hier mit dem einzigen Nachteil, dass es vom Tourismus überfüllt war.
Ansonsten hatten wir auch hier Spaß. Unser heutiger Tourguide Roy besuchte La Boca bereits das dritte Mal und läutete die Tagestour in einem Café um 11 Uhr gleich mal mit einem Bierchen ein.
Am 29.12. mussten wir uns von Roy dann verabschieden, ihn zog es weiter nach Uruguay. Zugleich war es für mich und Luisa der letzte Tag im Che Juan gewesen. Es war für den Jahreswechsel ausgebucht und so mussten wir das Hostel wechseln. Ich schloss mich Luisa an und wechselte in ein Partyhostel. Das Viajero - Hostel beeindruckte vor allem durch seinen Preis. Umgerechnet 60€ hat hier eine Nacht in einem Mehrbettzimmer gekostet. Von den horrenden Unterkunftspreisen zum Jahreswechsel hatte das Viajero eindeutig den Vogel abgeschossen. Dennoch schien ein Partyhostel für Silvester verlockend und es war ja auch eine Ausnahme. Eine Ausnahme, die wir uns hätten sparen können.
Silvester
Am 31.12. hatten wir längst realisiert, dass das Hostel den Preis definitiv nicht wert war. Das selbsternannte Partyhostel hatte das Mitbringen von alkoholischen Getränken verboten und verkaufte stattdessen Alkohol an der Hostel- internen Bar im Preis-Leistungsverhältnis, wie es auch das gesamte Hostel gewesen war.
Vor allem aber hätten wir uns das Hostel sparen können, da wir Silvester letztlich gar nicht hier feierten.
Lea, die in Buenos Aires für einige Wochen in einem eigenen Apartment verbrachte, hatte einen Belgier kennengelernt, der mit zwei US-Amerikanern feierte und für die Feier sein Apartment zur Verfügung stellte. Wir schlossen uns an und saßen wenig später in einer Gesellschaft, die den Beginn eines sehr denkwürdigen Abends machte.
Anfangs war noch alles ganz witzig und wir freuten uns vor allem alle auf den Jahreswechsel. Schließlich durften wir ihn in Buenos Airs erleben, einer der größten Städte der Welt. Und gerade die jüngsten Feierlichkeiten rund um den WM-Sieg ließen die Erwartungen für Silvester hier steigen.
Kurz vor Mitternacht musste der Belgier sein Tutorial für den perfekten Joint abbrechen. Ich nenne ihn weiterhin den Belgier, da ich seinen Namen vergessen habe. Der Belgier brachte uns auf die Dachterrasse. Von hier aus würden wir uns das Feuerwerk anschauen. Dann war es soweit, der Countdown lief, 3….2….1……Stille.
Ja, es war Stille in Palermo, dem Partyviertel, es war Stille in Buenos Aires. Wir warteten auf das große Feuerwerk am Himmel. Vergebens.
Wir entschieden uns, auf die Straße zu gehen. Vielleicht würden wir hier ja mehr sehen, die Hochhäuser hatten dazu geführt, dass man von der Dachterrasse aus nicht in alle Richtungen sehen konnte. Unten angekommen, standen Luisa, Lea und ich dann vor verschlossener Tür. Was ist das denn jetzt? „We have to wait for the guy, who has the key, it`s the same in my apartment“, klärte Lea uns auf. In Buenos Aires und ich weiß nicht wo sonst noch auf der Welt, ist es üblich, dass man die Eingangstür eines Wohnblocks von innen aufschließen muss. Was der Belgier so lange gemacht hat, weiß ich nicht, auf jeden Fall hatte er Zeit, in der ich mir die Frage stellte, was denn eigentlich ist, wenn es hier einen Notfall gibt, es bspw. brennt? Naja, wird wohl offensichtlich nicht passieren.
Um 0:30 Uhr schafften wir es dann auf die Straße und von nun an begann die Suche nach einem Club. Von nun an entwickelte sich der Abend zu einem Desaster. In Palermo waren alle Clubs überfüllt. Am Ende suchten wir über einen Zeitraum von vier Stunden vergebens. Wenigstens unsere 45- minütige Suche nach Essen war erfolgreich.
Luisa und ich schienen die einzigen aus der Gruppe gewesen zu sein, die sich ein schöneres Silvester gewünscht hatten. Den anderen sah man es nicht an oder es war ihnen vielleicht wirklich egal. Der Belgier rauchte noch ein paar Joints, ehe wir ihn verloren hatten, genauso wie einen der beiden US-Amerikaner.
Während das Weihnachtsfest ein voller Erfolg war, so war Silvester in Buenos Aires ein absoluter Reinfall. Aber man kann nicht alles haben.
Wir schafften es irgendwann, alles mit Humor zu nehmen und aus dieser Sichtweise bot auch dieser Abend am Ende viel zu lachen.
Ausklang
Da wir erst um 5 Uhr morgens ins Hostel zurückkehrten, wurde der 1. Januar zu einem Restday. Immerhin das war also wie gewohnt.
Am 2. Januar ging es dann nochmal in ein Museum. Ich weiß gar nicht mehr, worum es da ging. Unter anderem war aber eine Ausstellung von Frida Kahlo zu sehen, für die wir 30 Minuten extra anstanden und selbst Lea am Ende eingestand, dass es das nicht wert war.
Am Abend war dann nochmal Party angesagt, die uns Silvester verwehrt blieb. Wir gingen zu „La Bomba del Tiempo“, einer Trommelgruppe in Buenos Aires. Jeden Montag wird hier getrommelt, ehe es im Anschluss weitergeht in einen Club.
Hier traf ich auch auf Dominik wieder, den ich in Santiago kennengelernt hatte.
Dominik legte sich auf dem Weg zum Club kurzerhand mit einem Argentinier auf der Straße an. Dass er ihm schließlich aus dem Weg ging, wurde vielleicht auch zu unserem Glück. Denn jener Argentinier war wenig später in eine filmreife Verfolgungsjagd eingewickelt. Er wurde von mehreren maskierten Männern gejagt, die dann in ein Auto stiegen und mit quietschenden Reifen davonfuhren.
Was genau los war, wer hier wen verfolgte, und worum es ging, das wussten wir nicht, aber was unverkennbar war, war, dass die Sache ernst war.
Mit den Clubbesuchen sollte es hier in Buenos Aires einfach nicht sein. Anfangs war es noch okay, doch der Club war völlig überfüllt und man konnte sich kaum um die eigene Achse drehen. Die Stimmung kippte bei uns letztlich, als Lea ihr Handy geklaut wurde. Man hatte es ihr aus der Bauchtasche entwendet. So hatte leider auch dieser Abend kein schönes Ende.
Am kommenden Tag hieß es für mich und Luisa dann „Adios, Buenos Aires“.
In den letzten Tagen hatten wir den Entschluss gefasst, gemeinsam in das benachbarte Uruguay zu fahren und dort einen Roadtrip zu machen.
Alles aus Uruguay folgt im nächsten Artikel.
Vorerst hieß es für uns also, Abschied zu nehmen von Buenos Aires, einer riesigen Stadt, die schnell zu einem kleinen zu Hause geworden war, ein kleines zu Hause mit einer kleinen Familie.