
Da hatten wir ja ein großes Drama gemacht, war unsere erste Feststellung, als wir uns wiedersahen. Als ich mich bereits Mitte Juli von meiner kleinen Schwester Kathi verabschiedete, ahnten wir nicht, dass wir uns schon 6 Wochen später wiedersehen würden. Gemeinsam mit ihrem Freund Jan zog sie los in Richtung Norwegen. Ein Roadtrip mit einem Wohnwagen.
Ca. drei Monate würden sie wegbleiben.
Dass ihre grobe Vorstellung, im Rahmen dieser Zeit eventuell noch in den Süden zu ziehen, sich auf der Reise bei den beiden zu einem festen Plan entwickelte, wurde auch zu meinem Glück.
Sie wollten u.a. die französische Antlantikküste runterfahren. Mehr oder weniger zufällig kam es so hin, dass die beiden sich zum gleichem Zeitpunkt in der gleichem Region befanden, wie ich in meinem Surfcamp in Cap de l´homy.
Ich selbst hatte noch keine weiteren Pläne, Kathi und Jan würden noch mehrere Wochen durch Europa reisen und im Wohnwagen war noch Platz. So lag der Plan nah, ich könnte bei ihnen ein Stückchen mitfahren. Läuft.
Wenn ich von meiner kleinen Schwester rede, sei gleichzeitig erwähnt, dass sie bereits 19 ist und gerade ihr Abitur gemacht hat. Zwei Fakten, die ich noch realisieren muss, die mich aber in jedem Fall alt fühlen lassen.
Schöner sind die Gegebenheiten, die mit den Fakten verbunden sind. Als ewiges Nesthäkchen der Familie, ist auch sie längst eine junge Erwachsene und der Altersunterschied von 6 Jahren hat völlig seine Bedeutung verloren.
Ähnlich verhält sich das Ganze bei ihrem Freund Jan, dessen Fußballtrainer ich lange Jahre war und in Zukunft auch wieder sein werde. Als ich ihn das erste Mal trainierte, war er mit 13 Jahren ein kleiner Junge. Nun ist er so alt, wie ich selbst damals war. Es ist, als wäre es gestern gewesen, als wir im Trainerteam bei Mannschaftsabenden aufpassen mussten, dass wir den Cola- Konsum in Grenzen halten, damit die kleinen Kinder nicht durchdrehen. Auf der Tour stoß ich mit ihm mit französischem und spanischem Bier an, das uns für keinen Tornado zu schade war.
Hätte ich nicht gleich am dritten Tag seine kleine Kaffeemaschine kaputt gemacht, hätte der Junge mir täglich morgens sogar mit einem Kaffee am Frühstückstisch gegenüber gesessen. Dieses Erlebnis an den ersten beiden Tagen war vermutlich zu viel und so ließ ich die Kaffeemaschine beim Abwasch gekonnt fallen.
Darüber hinaus seien an dieser Stelle seine Kochkünste erwähnt. Die Mischung aus seinem Naturtalent am Herd und reichlich
Erfahrung als Kellner sorgten für hoch qualitative und hoch professionell zubereitete Abendessen und somit für eine ausgewogene Ernährung auf der Tour.
Die Voraussetzungen für mich waren also optimal. Wie lange ich bei den beiden mitfahren würde, ließen wir offen. Auch hier gab es im Vorfeld keine feste Reiseroute. Aber das war mir auch ziemlich egal. Ich war einfach froh, für die nächste Zeit lang ein Transportmittel, eine Unterkunft und Gesellschaft gefunden zu haben.
Hossegor / San Sebastian
Unser erster gemeinsamer Halt war dann das 50 km südlich von Cap de l´homy gelegene Hossegor. Wir fanden einen Campingplatz nah am Atlantik, dessen meterhohe Wellen uns am ersten Tag kaum ins Wasser ließen, zugleich aber viel Spaß bereiteten. Es folgte eine Stadtbesichtigung von Hossegor sowie der nicht weit entfernten Stadt Biarritz. Auf dem Campingplatz gab es desolate Tennis- Duelle und hochklassige Uno- Duelle um den Abwasch ehe die Abende im Büro der Capitol- Versicherung abgerundet wurden.
Nachdem wir am letzten Abend in Hossegor in einem Burger- Restaurant Essen waren, ging die Reise am nächsten Tag weiter über die spanische Grenze nach San Sebastian. Ein erstes Highlight hier war ein Sonnenuntergangsbaden in der Bucht Bahía de La Concha, der wahrscheinlich schönsten Bucht, die ich bislang gesehen habe. Die noch schöner aussah vom Aussichtspunkt auf dem Berg Monte Ingeldo in Verbindung mit einem Blick über die gesamte Stadt.
Zu einem zweiten Highlight wurde das Europa- League- Heimspiel des in San Sebastian beheimateten Fußballvereins Real Sociedad. Der Stadionbesuch war dabei gar nicht geplant, nicht einmal wussten wir von dem Spiel. Die Fangesänge von Anhängern der Auswärtsmannschaft, die an diesem Tag durch die engen Gassen San Sebastians hallten, machten uns darauf aufmerksam. Sie führten uns zu einem von Fans eingenommenen Café. „Athletic Club Omonia Nikosia“ fand ich erst durch googeln den vollen Namen des mir bis zu dem Zeitpunkt unbekannten Vereins aus Zypern heraus.
Der Rest war Formsache. Da mussten wir hin. Also ich. Aber alleine wollte ich natürlich auch nicht hingehen. Zum Glück musste ich wenig Überzeugungsarbeit leisten. Bei Kathi noch weniger als bei Jan, der etwas im Zwiespalt steckte zwischen seiner eigenen Motivation und der Befürchtung, seine Freundin würde es ihm früher oder später vorhalten, von ihm zu irgendwelchen Fußballspielen geschleppt zu werden. Das Stadion, am Rande der Stadt gelegen, erinnerte mit seiner hellblauen Plastikhülle eher an ein Schwimmbad-, die Stadioninfrastruktur durch den Verkauf von Popcorn und Nachos anstelle von Bratwurst & Bier wiederum an einen Kinobesuch. Aber wir waren ja zum Fußballgucken hier.
Das fußballerisch eher langweilig gehaltene Spiel bekam zum richtigen Zeitpunkt seine erhoffte Spannung, als Omonia 10 Minuten vor Schluss als Tabellenachter der zyprischen First Division und absoluter Underdog zum 1-1 Ausgleich kam.
Und es erreichte seinen Höhepunkt, als der Favorit aus San Sebastian kurz vor Schluss das für die 25.000 Fans im Stadion unverkennbar erlösende Siegtor schoss. Die Tatsache, dass meine kleine Schwester von einem Fußballspiel begeistert war, war Zeichen dafür, dass sich der Stadionbesuch gelohnt hatte und für einen schönen Abschluss unseres Aufenthalts in San Sebastian sorgte.
Andorra
Wir wollten gerne durch die Pyrenäen fahren. Das war das erste Ziel, bevor wir überlegten, wo unser nächster Halt sein sollte. Die Entscheidung fiel auf Andorra. Wie auch San Sebastian war Andorra eine der Stationen meines Europa- Roadtrips 2019, an die ich gute Erinnerungen hatte. Die Fahrt durch die Pyrenäen gehört mit Sicherheit zu den schönsten Autofahrten, die ich am Steuer erlebt habe. Und die Aussage hat Gewicht, denn ich saß nicht in meinem Peugeot. Die Pyrenäen unterstützen die These, dass Natur Medizin ist, denn während dieser Fahrt kann es einem eigentlich gar nicht schlecht gehen.
Nach 5 1/2 h Fahrt kamen wir auf einem Campingplatz kurz vor der Landesgrenze Andorras auf spanischer Seite unter.
Was uns aus Andorra bleibt, sind Erinnerungen an ein schönes kleines Ländchen, dass man in 45 Minuten Fahrt auf einer einzigen Straße durchqueren kann.
Und ganz besonders die Erinnerungen an eine Wanderung, die mit einer coolen Idee begann und in einem Desaster schmerzhaft endete. So entschieden wir uns gegen die ausgeschilderte und von uns ausgewählte Wanderroute und erklommen auf eigene Faust und auf kürzesten Wege einen Berg. Doch die aus der Ferne von uns eingestufte Wiese auf dem Weg nach oben enttarnte sich als vertrocknetes und stark verwurzeltes Gebüsch, das anfangs piekste und am Ende für unzählige, teilweise größere Kratzwunden sorgte. Auch wenn es sich für den Ausblick vom Gipfel aus zumindest ein bisschen gelohnt hatte, war die Wanderung zu unangenehm, um als ein Highlight bezeichnet werden zu können. Schon eher ein Highlight war das Treffen auf eine Seniorenreisegruppe aus Thüringen, die uns mit reichlich selbst gebrannten Schnaps versorgten und selbst schon einiges intus hatten. Mit der klar erkennbaren Devise „Saufen vor Laufen“ hatten sie gerade ihre Wanderung abgebrochen und waren auf dem Rückweg.
Nicht vergessen werde ich den Besuch in Andorras einzig wahren und seriösen Supermarkt „Andorra 2000“, das Herzstück des Landes. Hier gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt und man kann denken, dass sich hier die gesamte Lebensmittelwirtschaft Andorras abspielt. Vielleicht sitzt hier sogar die Regierung an der Kasse, nur eine Vermutung.
Leider hatten wir beim Parken übersehen, dass der Parkplatz um 21:00 Uhr schließt. Aufgefallen ist es uns, als wir um 21:10 Uhr vor der Schranke standen und diese sich nicht öffnete. Ich übernahm Verantwortung, betätigte den Service-/Not-/ Was auch immer- Knopf und sorgte mit meiner selbstbewusst rübergebrachten, leider leicht falsch ausgesprochenen Einstiegsfrage „Do you schpiek english?“ bei Kathi und Jan für einen Lacher. Natürlich nur versehentlich! Jedenfalls hat der Typ am anderen Ende der Leitung mich verstanden und die Schranke ging hoch. Bums.
Barcelona
Unsere letzte gemeinsame Station war dann Barcelona. Von hier aus würde ich weiterziehen und Kathi und Jan wieder in Richtung Deutschland fahren.
Es war eine tolle letzte Station. Wir hatten auf unserem Campingplatz u.a. die Möglichkeit, Wäsche zu waschen und abends zu grillen. Ganz nebenbei hatten wir auch das Mittelmeer direkt vor der Tür. Wir ließen es uns hier gut gehen. Nur Barcelona selbst gab ausreichend Grund, den Campingplatz doch mal zu verlassen. Einen mehr als ausreichenden Grund. Von Barcelonas bestem Aussichtspunkt „Bunkers del Carmel“ aus hatten wir einen gigantischen Ausblick über die Stadt, deren Nachtbeleuchtung den Himmel nicht dunkel werden ließ. Da war es selbst in der vernebelten Shisha- Bar dunkler, in die wir im Anschluss noch weiterzogen.
Den darauffolgenden Tag verbrachten wir in Barcelona, gingen shoppen, ließen uns von der Markt- Atmosphäre begeistern und wurden Zeugen einer Tauben- Invasion.
Dann kam der Tag, an dem sich unsere Wege trennten. Ich hatte mir eine Fähre nach Mallorca gebucht. Warum, wieso, weshalb, steht in meinem nächsten Reisebericht.
Jedenfalls ging meine Fähre am Abend um 23 Uhr. Wir nutzen das für einen letzten gemeinsamen Abend in Barcelona und gingen am Hafen zusammen essen.
Ein großer Dank geht an dieser Stelle an Kathi und Jan, die mir ein schönes weiteres Kapitel zum Start meiner Reise bescherten.
Sie beide waren in dieser Zeit nicht meine kleine Schwester und mein Spieler, sondern einfach zwei sehr gute Freunde, mit denen ich eine tolle, witzige und ereignisreiche Zeit hatte. Die zusammen ein tolles Paar abgeben, auf die Bedürfnisse des anderen Acht geben, ohne große Streitigkeiten miteinander harmonieren. Die beiden kleinen, die auf einmal so erwachsen sind.
P.S.: Für weitere Einblicke in die Reise der beiden, gerne mal auf Instagram auf ihrem Reiseaccount vorbeischauen: katja_organisations.europe